Positionen des Bürgervereins


 

Positionspapier der  Initiative der Altstadtverbände
für die öffentliche Diskussion zur Hauptmarktnutzung

Ausgangssituation

Die Altstadt ist das Herz der Stadt Nürnberg. Sie ist kein Museum. Oder gar nur Kulisse für Events. Hier wohnen 14.200 Menschen. Der Hauptmarkt, die „Gute Stube Nürnbergs“ liegt in der nördlichen Altstadt, dem Hauptwohnbereich in der Altstadt mit 9.100 Einwohnern und stellt einen der größten und dichtesten Wohnbereiche in einer deutschen großstädtischen Innenstadt dar. Hier ist viel echtes Leben, da brennt abends Licht hinter den Fensterscheiben.

Nutzungsfunktionen des Hauptmarktes

Im Mittelpunkt des pulsierenden Alltagslebens steht der ‚Grüne Markt’ bzw. der Wochenmarkt

Der Wochenmarkt ist eine der ältesten Handelseinrichtungen überhaupt und hat auch über die Jahrzehnte nichts von seinem Reiz verloren. Weil  er:

  • An den Werktagen das Stadtbild prägt und damit den Eindruck, den ein Besucher von der ganzen Stadt gewinnt. Zusammen mit den Eindrücken des historischen Ensembles um Frauenkirche und Schönen Brunnen samt Burgblick ist dies auch das Bild, das Touristen mit nach Hause nehmen.
  • Die Funktion einer ‚Agora’ besitzt: Charakterisiert durch Vielfalt und Unter­schied­lich­keit von Situationen,(Markt)-Plätzen mit ihrer gesamten Umgebung, den Waren, den Nach­barn, die man trifft, den bummelnden Touristen, den Händlern, dem „na­tür­li­chen“ Wetter u.a.m. Viele Menschen suchen diese lebendige Atmosphäre, schätzen sie hoch ein als persönlich wertvoll. Als Kontaktort für Informationen und Kommu­ni­ka­tion allgemein hat er eine wichtige symbolische Bedeutung.
  • Als Flair eines Wochenmarktes im Vergleich zu den mehr oder weniger gleich­för­mi­gen und sterilen Verkaufswelten der heutigen Supermärkte oder Kaufhäuser oder Shop­ping-Center und Fußgängerzonen geradezu einzigartig ist.
  • Die Nahversorgung nicht nur für die unmittelbaren Anwohner sicherstellt, sondern auch für inner(alt)städtisches Kaufpublikum.
  • Darüber hinaus einen unverzichtbaren Verkaufs- und Einkaufsplatz für regionale Pro­duk­te (z.B. Knoblauchsland) darstellt. Damit direkt verbunden ist der ökologische Aspekt.
  • Nicht zuletzt wirtschaftliche Bedeutung hat: Hier haben auch kleinste Produzenten die Chance, ihre Erzeugnisse anzubieten. Der Wochenmarkt trägt so zur Existenz­si­che­rung kleinerer und mittlerer Marktbetriebe und der damit verbundenen Arbeitsplätze bei.

Nachdem Nürnberg, anders als viele Städte (Berlin, Stuttgart, Kassel, Frankfurt, München, Freiburg, Hannover, Osnabrück, Regensburg etc.) keine Markthalle hat, ist ein Grüner Markt als Stadtmittelpunkt (Treffpunkt, Sitzgelegenheiten, Schatten, ‚Agora’, mediterranes Flair…) von wichtiger zentraler Bedeutung für Bewohner und Besucher.

Gegenwärtige Situationsanalyse

  • Auf dem Hauptmarkt finden neben dem Wochenmarkt traditionelle Märkte wie der „Häferlesmarkt“ zu Ostern und im Herbst und natürlich der „ Christkindlesmarkt“ statt.
  • Neben in der lokalen Kultur verankerten Veranstaltungen wie Trempelmarkt oder Bar­dentreffen drängen zunehmend kommerziell orientierte Veranstaltungen wie „Red Bull District Ride“, „smart beach tour“ oder die Weitsprung-DM auf den Hauptmarkt. Die umliegenden Plätze werden davon regelmäßig als Lager-, Ver- und Entsorgungsflächen in Mitleidenschaft gezogen.
  • Sowohl die Anzahl als auch die Dauer dieser Veranstaltungen hat signifikant zuge­nom­men.
  • 2014 war der ‚Grüne Markt’ 2/3 des ganzen Jahres (8! Monate) ausgelagert auf die ent­sprechenden Ausweichstandorte für die Händler.
  • Die städtische Jahrmarktsatzung von 2010 ist durch die reale „Übernutzung“ teilweise überholt, gibt jedoch eine Richtung vor, indem sie fünf Regelmärkte (Oster-, Herbst-, Christkindles- und Trempelmarkt) definiert und dabei andere Nutzun­gen, wie Schaustellungen, Musikaufführungen und sonstige unterhaltende Darbietun­gen ausschließt. Dazu zählen mit einiger Sicherheit auch die überhand nehmenden Sport’events’.
  • In Städten haben stets Inszenierungen stattgefunden. Sie sind – bis zu einem gewissen Maße – sinnvoll, ja notwendig. Feste und Events gehören zweifellos zur Ge­schichte und zu einem zeitgemäßen Leben unserer Stadt. Dies darf allerdings nicht zur unkritischen Akzeptanz führen.
  • Wichtig ist deshalb eine Ausgewogenheit zwischen gewünschter Belebung und un­er­wünsch­ter Überfrachtung. Der Hauptmarkt ist nicht der ‚Rummelplatz’ für die Besucher aus den anderen Stadtteilen und der Region, auf dem der „normale“ Alltag kaum im wörtlichen Sinne mehr Platz und Zeit findet.
  • Die quantitative Nutzung von Markt-und Eventnutzung sollte deshalb ein bestimmtes Ver­hältnis einhalten. Für die Events ist eine „Qualitätskonvention Altstadt“ anzustre­ben, wie es schon 2012 im „InSEK Altstadt“ empfohlen wird. Demnach sollte der „öko­lo­gische Fußabdruck“ untersucht und abgewogen werden: ob eine Veranstaltung in der Kosten-Nutzen-Relation zu einer positiven Bilanz führt. Alle Kennzahlen, also Ein­nah­men und Marketingeffekt, aber auch Ruhestörung, Ressourcenverbrauch in Form von Baumaterialien, Müllbeseitigung, Reparatur des öffentlichen Raums, Emissionen und qualitative Abwertung der ästhetischen Erscheinung des Stadtraums im Hinblick auch auf Touristen, sollten für die Entscheidung gewichtet und abgewogen werden.
  • Rücksicht ist last not least auf die stadtkulturelle Bedeutung der Frauenkirche zu neh­men. Bei Sportevents wie „Red Bull District Ride“, „Beach Volleyball“ oder Weitsprung war regelmäßig zu beobachten, dass die mit den Veranstaltern vereinbarten Regeln, insbesondere Ruhezeiten während der Gottesdienste, nicht eingehalten wurden. Auch wurde die Frauenkirche rundum „zugemüllt“ und die Zugänge zum Teil verstellt.
  • Im „InSEK Altstadt“ ist zu dieser Problematik nachzulesen: „Gleichwohl ist die Stadt Nürn­berg kontinuierlich gefordert, auf das Angebot und die Aufmachung von Werbe­maß­nahmen zu achten, um so das Flair der Altstadt nicht zu beschädigen. Insbe­son­de­re die Nachbarschaft zu wertvollen Baudenkmälern und Kirchen gilt es als städte­bau­liche Identität stiftende und spirituelle Räume der Stadtgesellschaft zu respek­tie­ren.“

Perspektiven für ein sinnvolles Gesamtkonzept:

  • Widerstreitende Interessen und Nutzungswünsche sowie gewandelte Ansichten zur „Guten Stube Nürnbergs“ machen ohne Zweifel ein differenziertes Gesamtkonzept und eine Prioritätenfestlegung für den Hauptmarkt erforderlich. Aufgrund der ineinan­der übergehenden Stadträume muss dieses Gesamtkonzept neben dem „Alltags“-Markt und geeigneter Marktverlegung in die Fußgängerzone und/oder an die umlie­gen­den Plätze beinhalten.
  • Für die Zeiten der fünf Märkte sowie die von der Stadtspitze – nach welchen Kriterien auch immer – fest gelegten „Events“ wird ein Ausweichkonzept benötigt. Die bisheri­ge Verdrängung in die Fußgängerzone bzw. auf die Pegnitzbrücken ist nicht optimal, zu­mal die verdrängten Anbieter offenbar auch noch mit den Kosten belastet werden.
    Eine solche „Vermischung“ der Funktionen von Markt und Fußgängerzone behindert die Entwicklung beider. Markt und Fußgängerzone beruhen auf unterschiedlichen Stadt­entwicklungskonzepten. Vor Geschäften in der Fußgängerzone aufgereihte Markt­stände schaffen nicht die für Wochenmärkte typische Atmosphäre.

Für besser geplante Ausweichmöglichkeiten stehen nahe gelegene andere Plätze zur Ver­fü­gung, die dadurch aufgewertet werden würden: Obstmarkt, Hans-Sachs-Platz und evtl. Schmuckhof. Mit ihnen wäre auch endlich die Schaffung einer funktions­an­ge­passten Infrastruktur für den Markt möglich. Es fehlen bisher sowohl Sanitär­an­la­gen für die Marktbetreiber selbst als auch für die Besucher der zusätzlichen Märkte und Events. Ebenso eine geregelte Einrichtung von Strom, Zu- und Abwasser sowie Zu- und Abgangswege. Spätestens mit der Sanierung von Obst- und Hauptmarkt muss dies in die Planungen eingehen.

  • Insbesondere abends und an Wochenenden wird erwartet, dass in einer Großstadt auch Events stattfinden. Diese müssen freilich quantitativ und qualitativ gut ausge­wählt werden und den Zielgruppen Jugend-Familie-ältere Mitbürger entsprechen.
  • Obwohl für viele Veranstalter ‚Toplage’, müssen nicht alle Events am Hauptmarkt statt­finden: Jakobsmarkt, Insel Schütt, Volksfestplatz und andere Stadtteilplätze sind bes­tens geeignet und entzerren die Verdichtung in der Altstadt. Nürnberg hat attrak­ti­ve Stadtteile. Events dort würden diese aufwerten und insgesamt die Attraktivität Nürn­bergs erhöhen. Wobei dabei immer Rücksicht auf Anwohner und Geschä­f­te/­Lo­kale genommen werden muss.
  • Die Entwicklungspotentiale in den Empfehlungen des „InSEK Altstadt“ sollten dabei ausgeschöpft werden.

Hierzu bedarf es einer offenen und öffentlichen Diskussion. In diesen Verständigungs- und Ent­scheidungsprozess sollten alle gesellschaftlichen Gruppen, die für die Nürnberger Innen­stadt von Bedeutung sind, einbezogen werden.