Verkehr in der nordwestlichen Altstadt


 

Wie in vielen deutschen Innenstädten wird auch Nürnberg in Zeiten von Abstandsgeboten und Infektionsschutz intensiv debattiert, wie öffentlicher Raum genutzt werden soll. Um schnell mehr Platz für Fuß- und Radverkehr, Aufenthaltsmöglichkeiten, Spielstraßen und Außengastronomie zu schaffen.
Es ist viel los, viel ist in Bewegung, viel ist zu sehen. Unabhängig von Pandemiezeiten wurden in der Altstadt die beschlossene Parkraumbewirtschaftung, die Verkehrsberuhigung des Weinmarktes angegangen und der Durchgangsverkehr von Ost nach West unterhalb der Bergstraße unterbunden.

Nach Beginn der ein- bis zweijährigen Testphase, die nun die Chance bietet, die Planungskonzepte im Realbetrieb zu testen, zeigen sich sowohl Vor- und Nachteile.

In unser Arbeitspapier sind Beobachtungen und Feststellungen von Bürgervereinsmitgliedern eingeflossenen, die in der Nordwestlichen Altstadt leben. Es soll als Grundlage zu Nachbesserungen und Weiterentwicklung der beschlossenen bzw. durchgeführten Maßnahmen dienen.

Verkehrssystem in der nordwestlichen Altstadt –

Die Stadtpolitik muss endlich liefern!

Auf Antrag der Stadtratsfraktionen von CSU und Bündnis 90/Die Grünen hat der Stadtrat einstimmig am 13.12.2018 weitgehende Beschlüsse zur Verkehrsführung in der Altstadt und zur  Parkraumbewirtschaftung beschlossen. Dies sollte auch die Voraussetzungen für die Aufwertung von 16 Straßen und Plätzen in der Altstadt schaffen.

Erklärte Zielsetzungen der Beschlüsse waren:

  • Befreiung der nordwestlichen Altstadt von den massiven Belastungen des Durchgangsverkehrs von West nach Ost
  • Wesentliche Reduzierung des Parksuchverkehrs durch gebietsfremde Dauerparker und durch Angestellte von Einrichtungen und Betrieben
  • Beendigung der fortlaufenden Gefährdung von Kindern, Touristen und Radfahrern durch den Verkehr, stattdessen Schaffung sicherer Wege
  • Aufwertung des Wohnumfelds und der Plätze durch Begrünungsmaßnahmen
  • Deutliche Erhöhung der Aufenthaltsqualität

„Bürgerinnen und Bürger wünschen sich (….) den Ausschluss von Durchgangsverkehr, ruhigere Wohnstraßen und gleichzeitig verfügbare Parkplätze“. (Zitat aus der Stadtratsvorlage)

Diese Ziele wurden bisher nur ansatzweise erreicht. Die aktuelle Situation stellt sich wie folgt dar:

  • Die Unterbrechung unterhalb der Bergstraße hat den Durchgangsverkehr in Bergstraße, Obere Schmiedgasse und Schildgasse unterbunden. Dies ist ein deutlicher Gewinn im Sinne der vorgenannten Ziele und muss dauerhaft gewährleistet bleiben.

Die Unterbrechung wurde als ein- bis zweijährige Testphase konzipiert, was von der neuen Stadtpolitik ausgesetzt wurde. Neue Planungen, die wieder Park- und Suchverkehr im Burgviertel ermöglichen sollen, sind beauftragt. Die Zielstellung der gefassten Beschlüsse würde damit völlig konterkariert.

  • Beim verbliebenen Verkehr handelt es sich überwiegend um Parkplatzsuchende, mit geringeren Fahrgeschwindigkeiten. Dies ist erträglicher, wobei zu hoffen ist, dass die Parkplatzsuchenden die geänderte Situation nach und nach verinnerlichen und verstärkt die naheliegenden Parkhäuser nutzen.
  • Das Ärztehaus ist nun durch die neue Verkehrsführung von Osten her über Rathenauplatz und Theresienstraße für Besucher anfahrbar, ohne den bisherigen Umweg über Hallertor. Dies ist ein Gewinn für das Ärztehaus.
  • Die Parksituation für Kurzparker, insbesondere für Kunden der Geschäfte in der Bergstraße, hat sich durch die neue Verkehrsführung sichtbar verbessert, obwohl durch die Corona-bedingte Ausweitung der Außengastronomie in der Bergstraße derzeit etwa zehn Parkplätze entfallen.

Das ordnungswidrige Durchfahren der Bergstraße und der Oberen Krämersgasse – entgegen der früheren Einbahnstraße – ist durch die Pfostensetzung unterbunden.

  • Die Umstellung der Parkraumbewirtschaftung durch Überführung der kostenfreien Parkplätze in ein Mischsystem und die damit verbundene Entlastung für die Anwohner steckt noch weitestgehend in den Anfängen. Notwendige Kapazitäten zur Umsetzung der Parkraumumstellung sind durch die aktuellen Umplanungen zur Verkehrsführung Bergstraße gebunden.
  • Die begrüßenswerte Umgestaltung des Weinmarkt in eine Fußgängerzone im Rahmen einer ein- bis zweijährige Testphase wurde erfreulicherweise in Angriff genommen, bisher jedoch nur ganz unzureichend umgesetzt.
  • Im Zuge der Verkehrsberuhigung des Weinmarktes wurde die Füll für den Verkehr in Gegenrichtung geöffnet. Dies führt bei Autofahrern regelmäßig zu Irritationen, wozu auch die vielen Baustellen und Absperrungen beitragen. Touristengruppen werden durch den verstärkten Verkehr gefährdet. Die Lärmbelastung der Anwohner (Verkehr über Kopfsteinpflaster) hat sich deutlich erhöht. Den Gewerbetreibenden fehlen Parkflächen für Anlieferungen.  
  • Die Unterbrechung der Maxbrücke für den allgemeinen Kfz-Verkehr wird von ordnungswidrig Durchfahrenden regelmäßig missachtet. Auch in den Fußgängerzonen Weißgerbergasse, Weinmarkt und Rathausplatz ist immer wieder Durchgangsverkehr festzustellen. Fußgänger und Radfahrer werden dadurch immer wieder gefährdet.
  • Eine deutliche Beschilderung mit Darstellung der aktuellen Verkehrssituation im Gebiet und mit Hinweisen auf die nahen Parkhäuser fehlt weitestgehend. Auch fehlen Beschilderungen für den stark zugenommenen Radverkehr völlig.
  • Die Einzelmaßnahme Aufwertung des Fußgängerbereiches der Parallelfahrbahn der Augustinerstraße im Zuge des Neubaus des Deutschen Museums ist zum Teil umgesetzt. Dies wird begrüßt
  • Der Parksuchverkehr reicht bis in die Karlstrasse und den Trödelmarkt, denn bevor man in ein kostenpflichtiges Parkhaus fährt, sucht man zuerst kostenlose Parkplätze. Trotz der drei aufgestellten Pflanzkübel wird in der verkehrsberuhigten Karlstrasse („Spielstrasse“) vor und nach den Kübeln geparkt. Sie werden als Parkbuchten wahrgenommen.
  • Die Kommunale Verkehrsüberwachung wird in der nördlichen Altstadt nur sporadisch tätig. Der Polizei fehlen die Kapazitäten für eine intensivere Überwachung. Das Parkraumbewirtschaftungssystem mit Priorisierung der Anwohner wird nur dann greifen, wenn die Kurzparker konsequent kontrolliert und notfalls abgeschleppt werden, denn sonst läuft der Vorrang der Anwohner ins Leere. Der permanente Verweis auf andere Zuständigkeiten und Personalknappheit frustriert.
    Falsch oder verkehrsbehindernd zu parken ist weiterhin weitgehend ohne Risiko!

Verstärkt werden die Probleme durch zusätzliche Faktoren, wie Die von uns grundsätzlich begrüßte Ausweitung der Außengastronomie auf KFZ-Stellplätze und Straßen, um den ansässigen Gastronomen in Corona-Zeiten ein Einkommen zu sichern.

  • Zahlreiche Sanierungs- bzw. Aufgrabungsarbeiten auf Straßen und Plätzen.
  • Viele private Bauvorhaben belegen mit ihrer Baustelleneinrichtung sowohl Gehwege als auch KFZ-Stellplätze.

 

Fazit:

Die selbstgesteckten Ziele von Stadtverwaltung und Stadtpolitik für die Verkehrsentwicklung in der Altstadt werden bisher verfehlt, siehe dazu das maßgebliche Zitat aus dem Kooperationsvertrag von CSU und SPD:

„Für die Altstadt wird ein Gesamtkonzept zur Ausweitung der Fußgängerzone, Reduzierung des Autoverkehrs und Steigerung der Aufenthaltsqualität erarbeitet. Die begonnene Neuausrichtung der Parkregelungen in der Innenstadt wird weiter angepasst. Die Verkehrsführung wird neu konzipiert mit dem Ziel, den Durchgangsverkehr weiter zu reduzieren.“

Die beschlossenen, bzw. durchgeführten Maßnahmen sollen die Bewohner im Burgviertel entlasten. In der Wahrnehmung vieler Anwohner kommen sie aber gegenwärtig eher als zusätzliche Belastungen an. Dies beruht darauf, dass die Maßnahmen zerstückelt sind und so die gesteckten Ziele bisher nur ansatzweise erreichen, sodass der Gewinn aus den durchgeführten Maßnahmen für die Bürger nicht spürbar ist.

Wir fordern deshalb:

  • Vollständige, vorrangige Umsetzung der bereits beschlossenen Maßnahmen, statt überstürzter neuer Beschlüsse.
  • Rasche Umsetzung der beschlossenen Parkraumbewirtschaftung.
  • Entlastung der Anwohner durch stärkere und wirksamere Verkehrsüberwachung, um Falschparken effektiv zu reduzieren und Parker in die Parkhäuser umzuleiten.
  • Deutliche Beschilderung und Hinweise, die auf die geänderte Verkehrsführung und auf die Parkhäuser hinweisen.
  • Schnelles Reagieren durch notwendige Korrekturen in Testphasen.

Die Altstadt lebt. Wie jeder andere Stadtteil ist sie niemals „fertig“, sondern einem ständigen Wandel ausgesetzt. Nicht nur in ihrer Stadtgesellschaft, sondern auch in ihren Bauten, ihren Straßen und Plätzen.

Die öffentlichen Räume der Stadt werden in den letzten Jahren vielfältiger und intensiver genutzt. Klimawandel und Covid-19 werden diesen Prozess weiter beschleunigen. Die letzten heißen Sommer haben gezeigt, wie wichtig die Anpassung der Stadt an den Klimawandel ist.
Zu Corona-Zeiten ist ausreichender Freiraum wichtig, um die Abstandsregeln im öffentlichen Raum beachten zu können und dadurch Hotspots zu vermeiden.

Mit der neuen IHK, der Zweigstelle des Deutschen Museums im Augustinerhof, der Neugestaltung ihrer Umgebung und der Einrichtung neuer verkehrsberuhigter Bereiche werden in der Altstadt neue Akzente gesetzt. Viele Wegebeziehungen werden sich ändern. Für eine positive Entwicklung und Gestaltung braucht es keine punktuellen schnellen „Einzelaktionen“, sondern ein umgreifendes Konzept, das alle Rahmenbedingungen berücksichtigt.

In der Nürnberger Altstadt wohnen rd.14.200 Menschen. Sie stellt einen der größten und dichtesten Wohnbereiche in einer deutschen großstädtischen Innenstadt dar. Die Interessen und Ansprüche verschiedener Nutzergruppen müssen ausgeglichen werden.

Dass dies eine Herausforderung darstellt, haben wir schon frühzeitig artikuliert. Dazu erwarten wir von der Stadtpolitik Offenheit und Mut für neue Ideen zur Stärkung der Altstadt als Wohnquartier, zur Neugestaltung der die Altstadt prägenden Plätze, zur Weiterentwicklung von Grün- und Freiflächen und zum Weiterdenken nachhaltiger Verkehrs- und Mobilitätskonzepte. Und wir fordern Konsequenz und Nachhaltigkeit bei der Umsetzung getroffener Beschlüsse.

(Nürnberg-Altstadt im Oktober 2020)

 

 

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